Univ.Prof. Dr. rer. nat. habil. Jürgen Hasse

– Raumwissenschaften / Architektur –

In den Sozialwissenschaften ist es seit Mitte der 1990er Jahre üblich, das Subjekt als Akteur in den Blick zu nehmen, sein rationales Handeln zu fokussieren und sogenannte „Aushandlungsprozesse“ sowie Strategien der „Raumproduktion“ zu analysieren. Im Mainstream richtungsgebender Theorien wird das Subjekt dabei zum einen als körperliches Wesen und zum anderen als „Brain-Machine“ verstanden. Der Leib als Medium des Spürens der Welt wie des Selbst passt kaum ins Bild eines verstandesmäßig handelnden Subjekts. Im Unterschied dazu ist das architekturtheoretische Bild des Menschen gegenüber der Leiblichkeit in aller Regel aufgeschossen. Denn Bauten funktionieren nicht nur technisch, sondern auch emotional. Sie werden praktisch benutzt und atmosphärisch gespürt. Die gebaute Welt spricht den „ganzen“ Menschen an, den denkenden und den fühlenden. Deshalb werden Wohnhaus, Park, Wolkenkratzer, Bahnhof und Stadtquartier auch nicht nur als Handlungsräume entworfen und gebaut, sondern auch als atmosphärische Bewegungs- und Erlebnisräume.

In meiner interdisziplinär praktizierten phänomenologischen Raumforschung verfolge ich das Zusammenspiel von Gefühl und Verstand. Dabei zeigt sich, dass Gefühle weder nebensächlich noch beliebig sind. Sie bilden eine existenzielle Grundlage im menschlichen Leben. Sie stimmen das Denken, wie das Denken die Gefühle stimmt. Es gibt nicht die (intelligibel agierenden) Akteure hier und die (affektiv disponierten) Patheure dort. Im täglichen Leben ist jedes Individuum – je nach Situation und sozialer Rolle – mal Akteur, mal Patheur.

In meinen Studien über Atmosphären und Stimmungen konkretisiert sich das Wechselspiel zwischen dinglich „möblierten“ Orten und Räumen auf der Objektseite und dem gelebten und gespürten Raum auf der Subjektseite. Theoretisch überaus hilfreich ist dabei der situationstheoretische Ansatz der Neuen Phänomenologie, der in seiner hohen Binnendifferenzierung diffizile Bedingungsgeflechte im Wirklichen „obduzierbar“ macht.

Veröffentlichungen:

Viele Bücher und zahlreiche Aufsätze in Büchern und Zeitschriften zu forschungsmethodischen Fragen phänomenologischer Raumforschung und atmosphären-theoretischen Fallstudien (u.a. über sakrale Räume, Friedhöfe, Architektur, Märkte).

Nationalbibliothek: https://portal.dnb.de/opac/simpleSearch?query=Jürgen+Hasse

Website Jürgen Hasse: https://jhasse.com/publikationen/

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